Nach der Bundesstatistik [1] sind im Jahr 2002 34.296 Menschen eines
unnatürlichen Todes gestorben. Diese lassen sich den zwei Gruppen Gewalt und Unfälle zuordnen. Die Gruppe der Gewalt umfasst vorsätzliche Selbstbeschädigung (32,6 %) und sonstige Gewalt (9,6 %) wie Mord und
Totschlag. Die Unfälle teilen sich auf in Verkehrsunfälle (20,2 %), häusliche Unfälle (17,3 %),
Arbeitsunfälle (1,5 %), Sport- und Freizeitunfälle (0,5 %) und sonstige tödliche Unfälle (18,3
%) durch Feuer, Waffen, Stürze, chemische und biologische Substanzen sowie Unfallspätfolgen. Der
Verkehrsunfall ist somit die zweithäufigste unnatürliche Todesursache. Von den im Jahr 2002 841.686
Verstorbenen verunglückten bei Straßenverkehrsunfällen insgesamt 6.917 Menschen tödlich [2].
Es wird erkenntlich, dass im Bereich der aktiven genauso wie im Bereich der passiven Sicherheit Handlungsbedarf
besteht.
Ursachen des unnatürlichen Todes im Jahr 2002
Im Bereich der passiven Fahrzeugsicherheit werden die Handlungsprioritäten in erster Linie aus der
Unfallforschung abgeleitet. Die Aufgabe der Unfallforschung liegt in der Aufklärung der Ursachen, die zu einem
Unfall führen. Aus dieser Erklärung können Erkenntnisse abgeleitet werden, deren Umsetzung in der
Technik, Medizin und Psychologie zu einer Verbesserung der Straßenverkehrssicherheit beitragen. Damit eine
Sicherheitsauslegung zur Verbesserung der Sicherheit des Straßenverkehrs formuliert werden kann, sind
Größen zu ermitteln, die das Verhalten Mensch, Fahrzeug und Umwelt während des Unfalls beschreiben.
Dies geschieht im technischen Bereich der Unfallforschung mit Hilfe von Simulation, experimentell mit Freiwilligen,
Leichen und Dummies oder rechnerisch mit mathematisch beschriebenen Modellen der jeweiligen Verkehrsteilnehmer. Zur
Aufklärung über Ursachen und Umstände der Verletzungen werden im medizinischen Bereich der
Unfallforschung Krankenhausberichte, ärztliche Diagnosen sowie pathologische Befunde von Unfallopfern im
Hinblick auf Verletzungsmuster, -häufigkeit und -schwere ausgewertet. Aus den erhaltenen Ergebnissen lassen
sich Verletzungstherapien ableiten. Das Ermitteln und Analysieren der Ursachen, die zu einem Unfall führten,
ist in der Unfallforschung die Aufgabe des psychologischen Bereichs. Es werden Befragungen der Unfallbeteiligten
und der Unfallzeugen durchgeführt und anhand der erhaltenen Daten Sicherheitsmaßnahmen erstellt, wobei
diese nur auf Verkehrserziehung und -aufklärung abzielen [3].
Unfallforschung und Umsetzung der Erkenntnisse in Technik, Medizin und Psychologie [3]
Werden Unfälle mit verletzen Personen nach ihrer Beteiligung am Straßenverkehr in die Unfallarten:
Nutzfahrzeug-Unfälle, Personenkraftwagen-Unfälle, Unfälle mit motorisierten Zweirädern,
Unfälle mit Fahrrädern, Unfälle mit Fußgängern und sonstige Unfälle unterteilt,
ergeben sich für die PKW-Unfälle den mit Abstand höchsten prozentualen Häufigkeitsanteil. Im
Jahre 2002 waren dies 61,3 %. Dagegen liegt die Häufigkeit bei Nutzfahrzeug-Unfällen (3,8 %),
Unfällen mit motorisierten Zweirädern (11,6 %), mit Fahrrädern (14,7 %) und Fußgängern
(7,6 %), einschließlich der sonstigen Unfälle (1,0 %), bei weniger als ein Viertel der PKW-Unfälle
[2]. Der Grund hierfür ist in der hohen Verkehrsbeteiligung und der damit verbundenen hohen
Kollisionswahrscheinlichkeit der Personenkraftwagen zu sehen.
Häufigkeit der Unfälle mit verletzten Personen nach ihrer Beteiligung am Straßenverkehr
Da die Anzahl der verletzen Personen im Straßenverkehr jedoch nichts über deren Verletzungsschwere
aussagt, besteht die Notwendigkeit zur weiteren statistischen Auswertung der Verletzungsfolgekosten. Während
sich bei der Zuordnung der Verletzungsfolgekosten zu den Unfallarten eine ähnliche Verteilung aufzeigt, sind
beim Datenmaterial der Kollisionsartenverteilung Abweichungen festzustellen. Gemessen an den Verletzungsfolgekosten
weisen PKW/Fußgänger-Unfälle eine erheblich größere Bedeutung auf, als die alleinige
Anzahl der Unfälle vorgibt. Die Unfälle von Personenkraftwagen und Fußgängern verursachen
jährlich die drittgrößten Kosten der Verletzungsfolge, obwohl sie in der Reihenfolge der Anzahl der
Unfälle auf dem sechsten Platz liegen. Bei der Häufigkeitsverteilung führt die PKW/PKW Kollision
genau wie bei den Verletzungsfolgekosten die Rangfolge der Kollisionsarten an. Gefolgt wird diese von der
Häufigkeit der PKW/Hindernis- und PKW/Nutzfahrzeug-Kollision [3].
Eine andere Betrachtungsweise liegt in der Zuordnung der Unfälle mit Personenkraftwagen bezüglich
ihrer Aufprallarten: frontal, seitlich, heckseitig und als Sonderform der Überschlag. Wie auch bei der zuvor
aufgezeigten Analyse weicht die Häufigkeit stark von den entstehenden Verletzungsfolgekosten ab.
Unfallhäufigkeit und Verletzungsfolgekosten unterschiedlicher Aufprallarten
Dass das Schadensausmaß in Form der Verletzungsfolgekosten im starken Maße von der Aufprallart
abhängig ist, soll die nachfolgende Verteilung, basierend auf dem Datenmaterial der Unfallforschung der
Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), bekräftigen. Ausgehend von 1.211 Personenkraftwagen ist die Anzahl
und die prozentuale Verteilung der PKW-Aufprallarten mit den Kollisionskontrahenten Personenkraftwagen,
Nutzfahrzeug und Hindernis aufgelistet. Wobei der Überschlag als Sonderfall der Hinderniskollision wegen des
Ausschlusses von Mehrfachkollisionen bei PKW- und NFZ-Kollisionen nicht auftritt. Zusätzlich wurde eine
Sicherheitszahl definiert, welche die jeweilige Gesamtanzahl an Unfällen zu den ermittelten
Verletzungsfolgekosten ins Verhältnis setzt und damit die Sicherheit der PKW-Insassen bei einer bestimmten
Aufprallart kennzeichnet [3].
Prozentuale Verteilung der PKW-Aufprallarten mit unterschiedlichen Kollisionskontrahenten
nach dem Datenmaterial der MHH [3]
Mit einer Sicherheitszahl von 34,46 Unf./Mio. DM weist der Heckaufprall, aufgrund des großen zur
Verfügung stehenden Deformationsweges, die größte Sicherheit der Insassen auf. Erheblich niedriger,
mit einer Sicherheitszahl von 8,81 Unf./Mio. DM, ist die Sicherheit für die Insassen bei einem
Überschlag. Die angegurteten Insassen bleiben nur so lange weitgehend geschützt, wie die Fahrgastzelle in
ihrer Form erhalten bleibt. Ein noch höheres Verletzungsrisiko besteht für die Insassen bei der
Frontalkollision. Die Sicherheitszahl beträgt hierbei nur noch 5,10 Unf./Mio. DM. In der
Häufigkeitsverteilung ist der Frontalaufprall mit mehr als zwei Drittel die am häufigsten auftretende
Kollisionsart, gefolgt vom Seitenaufschlag mit 27,3 %. Dieser bietet mit einer Sicherheitszahl von 3,12 Unf./Mio.
DM zugleich die geringste Sicherheit und damit das höchste Verletzungsrisiko für die Insassen, da hier
der Insasse ab einer bestimmten Unfallschwere innerhalb kürzester Zeit auf die Geschwindigkeit des
stoßenden Kollisionskontrahenten gebracht wird.
Aufbauend auf der Definition der Sicherheitszahl, indem man diese in Abhängigkeit der Fahrzeugmasse bei den
verschiedenen Kollisionsarten betrachtet, ist festzustellen, dass Insassen bei PKW/PKW-Kollisionen in
größeren PKW sicherer gegenüber Verletzungen sind als in kleineren. Zudem ist das Verletzungsrisiko
bei PKW/Hindernis-Kollisionen unabhängig von der Masse des Kollisionsobjektes. Das Risiko ist hierbei genau so
hoch wie in kleinen PKW. Daher müssen Mittelklasse- und Kleinwagen mit einem Höchstmaß an
technischen Sicherheitsmaßnahmen zur Verbesserung des Selbstschutzes ausgestattet sein. So sollten vor allem
Mittelklasse- und Kleinwagen serienmäßig mit verbesserten Gurtsystemen und Fahrer- sowie
Beifahrerairbags ausgerüstet werden.
Eine weitere Notwendigkeit liegt in der Betrachtung der Belastungsart und des Belastungstyps. Während sich
die Belastungsart auf die bei einem Unfall beanspruchten Körperregionen bezieht, gibt der Belastungstyp
Aufschluss über die Sitzposition und die Benutzung von Rückhaltesystemen. Die Häufigkeitsverteilung
der Sitzposition der Insassen im kollidierenden PKW (ausgehend von 716 PKW-Frontalkollisionen mit 1.288 Insassen)
umfasst 56 % den Fahrer, 26 % den Beifahrer und 18 % die Fondinsassen [3].
Verteilung der Sitzposition der Fahrzeuginsassen im kollidierenden PKW
Bei der Verteilung der Belastungsarten können den Verletzungen der Insassen in frontal kollidierten
Personenkraftwagen ein Anteil von 33 % dem Kopf, 29 % den Beinen und jeweils ca. 14 % den Thorax und den Armen
zugeordnet werden [3].
Verteilung der Verletzungen von Insassen im kollidierenden PKW
Die Ergänzung der Häufigkeitsverteilung der Belastungsart durch den Belastungstyp (Sitzposition und
Rückhaltesystem) ist in der nachfolgenden prozentualen Verteilung der Verletzungen der Insassen frontal
kollidierter PKW dargestellt, wobei nur die Frontinsassen Berücksichtigung finden.
Häufigkeitsverteilung der Belastungsart und des Belastungstyps [3]
Bei den Kopf- und Beinverletzungen reduziert sich die Verletzungshäufigkeit sowohl für Fahrer als auch
für Beifahrer durch Anlegen eines Sicherheitsgurtes. Aufgrund des größeren Vorverlagerungsweges
beifahrerseitig gehen die Kopfverletzungen des Beifahrers bei Gurtbenutzung verhältnismäßig
stärker zurück. Begründend durch die Kraftwirkung des Sicherheitsgurtes nehmen die Thorax-,
Abdomen- und Beckenverletzungen bei den angeschnallten Insassen leicht zu, jedoch sind diese Verletzungen weniger
schwer. Die Erhöhung der Halsverletzungen beruht auf der Rückhaltewirkung der Brust bei angeschnallten
Insassen. Zusammenfassend ist zu sehen, dass die Gurtbenutzung auch Nachteile in Form eines Anstiegs der
Häufigkeit bestimmter Belastungsarten mit sich bringt. Nur sind diese Verletzungen meist in ihrer Schwere
geringer, sodass die Vorteile überwiegen.
Aufbauend auf der Betrachtung der Belastungsart und des Belastungstyps können zur Untersuchung des
Unfallgeschehens zusätzlich die Verletzungsursachen einbezogen werden. Zum einen gibt es Ursachen durch
direkte Krafteinwirkung, in denen Verletzungen durch einen direkten Kontakt zwischen Körperteil und
Insassenschutzsystem (Fahrzeuginnenraum, Sitz, Gurtsystem, Airbag) hervorgerufen werden. Dazu zählen
oberflächliche Weichteilverletzungen, Frakturen am Kopf, am Thorax, am Becken und an den Extremitäten
sowie Organverletzungen im Abdominalbereich. Zum anderen handelt es sich um indirekte Verletzungen, wenn diese am
nicht beanspruchten äußeren Körperteil aufgrund der dort eingeleiteten Kräfte entstanden sind.
Eine solche Verletzung ist beispielsweise eine Lungenlazeration als Folge einer Thorax-Instabilität. Bleibt
hingegen der knöcherne Körperteil stabil, können Verlagerungen von Organen infolge ihrer
Massenträgheit auftreten und bei ausreichend hoher Intensität zu Aortenrupturen, Herzbeutelkontusionen
(ohne Thorax-Instabilität), Hirnkontusionen durch Kontakt am Schädelknochen oder zu
Contre-coup-Verletzungen an der gegenüberliegenden stoßabgewandten Gehirnseite führen. Als letzten
Verletzungstyp lassen sich noch die Verletzungen durch Hyperextension und Hyperflexion der Gelenke oder der
Wirbelsäule nennen. Dieser Verletzungstyp wird im Allgemeinen durch Bänder- oder Sehnenverletzungen bzw.
in schweren Fällen durch Luxationen und Frakturen der Gelenke und Wirbel gekennzeichnet [3].
Basierend auf dem Datenmaterial der Unfallforschung der MHH wurden 291 Fahrer und 130 Beifahrer mit insgesamt
1.944 Einzelverletzungen ausgewertet. Dabei ergibt sich eine gesicherte Zuordnung für nur ca. 63 % aller
Verletzungen, wobei die nachfolgende Abbildung die Häufigkeit der als wahrscheinlich eingestuften
Verletzungsursachen widerspiegelt [3].
Häufigkeit der Verletzungsursachen von angegurteten Insassen
Den mit Abstand größten Anteil nehmen die Verletzungsursachen durch direkte Krafteinwirkung ein.
Unter Einbeziehung der als „wahrscheinlich“ eingestuften Verletzungsursachen sind dies 81,8 %. Gefolgt
mit einem Häufigkeitsanteil von 11,2 % können die Verletzungen der indirekten Krafteinwirkung zugeordnet
werden, wobei eine gesicherte Zuordnung nur für etwa jede siebente Verletzung möglich ist. Bei den
Verletzungen aufgrund von Trägheitskräften (2,4 %), welche im Wesentlichen durch
Schädel/Hirn-Traumen repräsentiert werden, ergeben sich ähnliche Zuordnungsprobleme. Der Grund
dafür liegt in der unsicheren Zuordnung von Organverletzungen im Thoraxbereich. Die Verletzungen durch
Hyperextension und -flexion nehmen einen Anteil an der Häufigkeit von 4,6 % ein. Als gesichert eingestuft
werden Verletzungen an Gelenken, Wirbeln und Bandscheiben, die sowohl Bänder- und Sehnenverletzungen als auch
Prellungen oder Frakturen sein können. Dagegen als nicht sicher, aber wahrscheinlich gelten Verletzungen an
kontaktexponierten Körperteilen, die keine eindeutigen oberflächlichen Verletzungen aufweisen [3].
Quellen:
[1] Statistisches Bundesamt Deutschland: http://www.destatis.de
[2] Gesundheitsberichterstattung des Bundes: http://www.gbe-bund.de
[3] Kramer, Florian: Passive Sicherheit von Kraftfahrzeugen. Braunschweig/Wiesbaden: Vieweg, 1998
ISBN: 978-3-8348-0113-5 (http://www.vieweg.de)
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